Jeder, der sich vor, während und nach einem Event in einer Location aufhält, könnte zu einem Corona-Verdachtsfall werden. Wie aber erkennt man zur Gewährleistung der Sicherheit aller Beteiligten einen vermeintlich Corona-Infizierten? Was kann man tun? Was ist zu tun?
Wir haben mit Dr. Frank Mücke, Geschäftsführer der Kodex-zertifizierten Full-Service-Agentur comed GmbH über zahlreiche Aspekte gesprochen, wenn trotz aller Sicherheitsvorkehrungen ein Veranstalter mit einem Corona-Verdachtsfall konfrontiert ist.
Dr. Frank Mücke: Nun, es gibt zwei Herangehensweisen – die Sicht des Projektmanagers als Pragmatiker und die juristische. Zur juristischen Sichtweise kann und darf ich nichts Verbindliches sagen. Hier bin ich auf das Statement eines spezialisierten Event-Anwalts gespannt.
Sehen wir uns beispielsweise das Setting bei einem Kongress oder einem Konzert an: Beteiligte sind die Teilnehmer, Organisatoren, Techniker, Messe/und Bühnenbauer, Aussteller, Kurierdienste, Caterer und viele weitere mehr. Je nach Art der Veranstaltung, Teilnehmerzahl, Zielgruppe und Risikobelastung gibt es vor Ort einen Ordnungsdienst bzw. Security und/oder einen Sanitätsdienst. Abhängig vom Budget und der Risikobereitschaft bzw. dem Sicherheitsbedürfnis des Veranstalters aber auch nicht! Nehmen wir an, dass die Mitarbeiter vom Locationbetreiber, dem Veranstalter und der Agentur medizinische Laien sind. Nicht zu den medizinischen Fachkräften rechne ich die obligatorischen Ersthelfer.
Welche Möglichkeiten habe ich als medizinischer Laie, um eine infizierte Person zu "entdecken"? Echt schwierig! Unter Realtime-Bedingungen und dem Stress vor Ort, z. B. wenn es bei einem Hallenkonzert heißt „Doors open“ und die Fans zum Eingang drängen, gelingt das eher nicht, zumindest nicht zuverlässig.
In der Praxis gibt es natürlich schon Möglichkeiten, einen solchen Fall herauszufiltern. Aber als Verantwortlicher und als Teilnehmer sollte man sich keine falschen Hoffnungen machen, man bewegt sich da auf sehr dünnem Eis.
Maßgeblich in allen Corona-Fragen ist als verbindliche Kompetenzstelle das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Und laut diesem treten zu Beginn der COVID-19- Erkrankung meist folgende Symptome/Manifestationen auf:
Husten (produktiv und unproduktiv), Fieber, Schnupfen, Störung des Geruchs- und/ oder Geschmackssinns, Pneumonie.
Weitere mögliche Anzeichen sind Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Konjunktivitis, Hautausschlag, Lymphknotenschwellung, Apathie und Somnolenz.
Soweit so gut. Aber welchen Nutzen hat das für die Praxis? Husten könnte mir auffallen. Eine Störung des Geruchs-/Geschmacksinns kann ich von außen nicht feststellen. Und wie soll ich "Somnolenz" erkennen? Was bleibt, sind Husten, Fieber und Schnupfen. Aber das sind auch die typischen Symptome für Erkältung und Grippe.
Laut RKI manifestieren sich Husten in 40%, Fieber in 27% und Schnupfen in 29% der erfassten Fälle. Das bedeutet aber auch: (Vermutlich) die meisten Corona-Infizierten bleiben asymptomatisch oder präsymptomatisch - und sind dabei möglicherweise hochinfektiös. In dem Fall wird aus dem einen oder den wenigen Infizierten schnell ein Cluster und das Event wird zu einem Superspreader-Event. Beispiele gibt es reichlich, z.B. Ischgl, Heinsberg, diverse Gottesdienste und Hochzeitsfeieren. Für MICE-Veranstaltungen muss es deshalb Ziel sein, die Infektionskette frühzeitig, möglichst am Anfang, zu unterbrechen.
Thema Fiebermessen. Zur genauen Bestimmung müsste die Kerntemperatur gemessen werden. Das geht im öffentlichen Raum nicht. Stattdessen wird die Oberflächentemperatur der Stirn mit einem digitalen Thermometer kontaktlos gemessen. Das Problem: Eine Körpertemperatur von über 38,5 Grad Celsius kann viele Gründe haben. Fieber ist kein valider Indikator für die spezifische Infektion mit dem Corona-Virus.
Wenn Temperaturmessung in der Praxis häufig angewendet wird, dann ist das eher Aktionismus, um sinnfällig zu dokumentieren, dass man was macht, bzw. dass der Zugang „streng“ kontrolliert wird.
Das RKI hat Zweifel an der Wirksamkeit von Temperaturkontrollen. Auf (den meisten?) deutschen Flughäfen gibt es kein Temperatur-Screening. Es erfordert einen unverhältnismäßig hohen Aufwand, ist ineffektiv und kann daher vernachlässigt werden.
Will man sich nicht nur auf die Blickdiagnose verlassen, bleibt derzeit als einzig objektive Screening-Methode das Testen. Aktuell (Stand März 2021) kommen drei Verfahren zum Einsatz: PCR-Test, Antigen-Schnelltest und die Selbsttests für Laien, die am Markt als OTC-Produkte frei verkäufich sind.
Jede Methode hat ihre Besonderheiten. Die PCR-Tests werden von medizinischem Fachperson abgenommen und in Speziallabors ausgewertet. In der Praxis heißt es dann häufig, „PCR-Testergebnis nicht älter als 48 Stunden.“ Wenn dann für die Einsendung der Probe noch die Laufzeit des Postweges hinzukommt, kann in der Zwischenzeit -infektiologisch - viel passiert sein.
Speziell die Laientests weisen bei nicht korrekter Handhabung ein größeres Fehlerpotential auf. Zudem sind die Spezifität geringer und die Sensitivität, der Anteil falsch negativer Testergebnisse, höher als bei den Labortests.
Der PCR-Test ist nach wie vor der Goldstandard, an dem sich alles messen muss.
Die von medizinischem Fachpersonal oder speziell geschulten Mitarbeitern durchgeführten Schnelltests liegen bei der Exaktheit der Ergebnisse zwischen den PCR-Tests und den Selbsttests. Im Gegensatz zu den Selbsttests fallen bei den Schnelltests noch zusätzliche Kosten für das Personal an. Das macht die Testung teurer.
Negative Ergebnisse von Schnell-/Selbsttests sind eine Momentaufnahme und erlauben leider keine Prognose. Deshalb wäre es auch eine probate Lösung, den Test am Vorabend durchzuführen, um am veranstaltungstag den testbedingten Stau am Zugang zu vermeiden.
Egal für welche Art von Test man sich als verantwortlicher Veranstalter oder PCO entscheidet, Schnell- und Selbsttests sind allemal besser als die Blickdiagnostik von medizinischen Laien, um Covid-19-Fälle zu entdecken – zumindest einen Teil von ihnen. Die Devise kann daher nur lauten: Testen, testen und nochmals testen!
Lesen Sie in Kürze Teil II und III unseres Interviews, die sich u.a. mit folgenden Fragestellungen befassen:
Welches Setting, welche Ausrüstung, welche Manpower sollte bestenfalls in einer Quarantänestation von Veranstalterseite vorgehalten werden?
Worauf müssen die betreffenden Sicherheitsteams zum Selbstschutz achten, welches Equipment kommt zum Einsatz?
Wie wird der Quarantäne-Raum für einen weiteren Einsatz wieder clean?
Über welche rechtliche Handhabe verfügen Verantwortliche, um einen vermeintlich Corona-Infizierten von einer Gruppe zu separieren?
Was darf angeordnet werden? Und dürfen/müssen die persönlichen Daten/Testergebnisse weitergeleitet werden und an welche Stellen?
Über den Autor:
Dr. Frank Mücke, Geschäftsführer der kodex-zertifizierten Kölner Full-Service-Agentur comed GmbH ist seit 30 Jahren in der Veranstaltungsorganisation tätig, speziell in den Bereichen Pharma, Medizintechnik, Wissenschaft und Verbände. Zum Portfolio gehören die Organisation „kleiner und feiner“ Events ebenso wie größere Kongresse mit mehreren Tausend Teilnehmern.
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